Die „World Socialist Web Site“, schreibt über einen rechten Think Tank mit Namen „BürgerKonvent„:
Am 30. April trat Ex-Bundespräsident Roman Herzog auf einer Pressekonferenz im Pressezentrum des Parlaments zusammen mit dem ehemaligen sozialdemokratischen „Superminister“ Wolfgang Clement auf, um das neueste Buch des so genannten BürgerKonvents publik zu machen. Der BürgerKonvent ist ein rechter Think Tank, zu dessen Mitarbeitern bedeutende Mitglieder des politischen, unternehmerischen und Banken-Establishments in Deutschland gehören.
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Jürgen Großmann, amtierender Vorsitzender des Energiekonzerns RWE äußerte sich auf der Pressekonferenz noch unverblümter. Großmann erklärte: „Was wir brauchen ist nicht weniger als eine Revolution!“ – das heißt, eine „Revolution“, die die Errichtung einer autoritären Regierung zum Ziel hat, die in der Lage ist, den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gegen die Politik der Agenda 2010 schonungslos zu bekämpfen.
Herzog gab in seiner Antwort auf die Frage eines Journalisten einen Einblick in die durch und durch elitäre Denkweise des Konvents. Als er gefragt wurde, wie er glaubt, die Unterstützung der deutschen Bevölkerung für seine Vorschläge zu bekommen, platzte er mit folgender Antwort heraus: „Das Volk folgt… das sagt doch schon der Name.“ Als er merkte, dass er zu weit gegangen war, versuchte Herzog schnell, seine Äußerung zu korrigieren und seinen entlarvenden Ausrutscher herunterzuspielen.
Diese (euphemistisch ausgedrückt) eigenwillige Figura etymologica unseres ehemaligen Bundespräsidenten ist so absurd, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll, das auseinanderzunehmen.
Ich fange mal bei der angeblichen Beziehung von „Volk“ und „folgen“ an. Das Wort „Volk“ entstammt dem slawischen „plŭkŭ“. Aus diesem Wort ging das das Wort „Pulk“ hervor und aus diesem schließlich „Volk“. „Folgen“ hingegen ist gar nicht slawischen, sondern altgermanischen Ursprungs. Bekannt ist vor allem die „Folgerin„, eine germanische Schutzgöttin, die einem hinterherläuft. Nur heißt die in der Sprache unserer heidnischen Vorfahren „Fylgja“. „Fylgja“ und „plŭkŭ“ haben also nichts miteinander zu tun, nur die Verschleifung dieser Wörter in einigen Jahrhunderten Sprachgebrauch sorgte dafür, dass sie in der Aussparche ähnlich klingen. Klingen, wohl gemerkt, denn wer lesen kann (und an keiner schlimmen Lese-Rechtschreibschwäche leidet), dem fällt sofort auf, dass „Folgen“ und „Volk“ nicht der gleichen Sprachwurzel entstammen, denn das eine Wort schreibt sich mit „f“ und „g“, das andere mit „v“ und „k“.
Aber sehen wir einmal davon ab, dass Roman Herzog gerne Wortverwandschaften herbeifantasiert, wenn ihm eine kritische Frage gestellt wird. Ich möchte meinerseits auch ein paar Fragen an ihn stellen (auch wenn er diesen Artikel wohl nie zu Gesicht bekommt):
Wer ist der Souverän in einer Demokratie?
Nein, Roman, es ist nicht der Führer. Es ist das Volk. Das politische System, in dem eine unmündige Volksmasse einem Führer blind folgt, nennt man Diktatur. Da Roman Herzog sich nun als Führer der blinden Volksmasse sieht oder zumindest meint, das Volk sei bloß zu lenkende Masse eines Autokraten, ohne Kontrolle auf die Regierung auszuüben, lässt das nur zwei Schlüsse übrig, die man folgern kann (Achtung, Roman, das Verb „Folgern“ hat nichts mit dem Vornamen „Volker“ zu tun):
Entweder Herzog hält die BRD für eine Autokratie, in der das Volk nichts zu sagen hat, und ein (oder mehrere) Führer die politischen Geschicke lenkt/lenken.
Oder Roman Herzog hat vor, eine solche Diktatur in Deutschland zu installieren.
Es kann natürlich auch sein, dass beide Varianten zutreffen, schließlich beschränkt sich die Einflußnahme der Bevölkerung auf ein paar Wahlen in festen Ritualen, zu denen gehört, dass nahezu sämtliche Wahlversprechen, aufgrund denen eine Partei gewählt wurde, von selbiger in der Regierungszeit gebrochen werden. Auch dass eine einmal gewählte Partei erst mit dem Ende der Legislaturperiode mit Konsequenzen für die Missachtung des Volkswillens rechnen muss, räumt dem angeblichen Souverän Wähler nicht gerade umfassende Kontrollmöglichkeiten ein. Und eine Umgestaltung der politischen Struktur in Richtung Autokratie strebt der „BürgerKonvent“ ja augenscheinlich an.
In jedem Fall aber, sollte man sich diesen „BürgerKonvent“, der anscheinend den Bürger als bloßen Erfüllungsgehilfen sieht. Ein anderes prominentes Mitglied ist Wolfgang Clement, der gegen Arbeitslose hetzt und sie „Parasiten“ nennt. Es reicht aber wohl nicht, nur eine Diktatur zu wollen und menschenverachtenden Hassreden zu schwingen. Also sucht man sich noch ein Opfer, die Ausländer.
Einen Einblick in die durch und durch reaktionären politischen Ideen und Prioritäten des Konvents erhält man in einer weiteren Publikation: Das Ende des Weißen Mannes, verfasst von einem seiner Gründungsmitglieder Professor Dr. Manfred Pohl. Pohl ist einer der führenden Theoretiker des BürgerKonvents, der als junger Mann seine Bank-Karriere unter Hermann Josef Abs begonnen hatte. Abs war von 1937 bis zum Ende des Kriegs Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank und spielte in dieser Zeit eine führende Rolle bei der „Arisierung“ der deutschen Wirtschaft – d. h. der zwangsweisen Enteignung der Juden.
Und Manfred hat viel von seinem Mentor Abs gelernt:
Pohls wichtigste These in diesem Buch ist, dass Europa von Immigranten überflutet wird; das bedrohe genetisch die Vorherrschaft des „weißen Mannes“.
Das ist nichts weiter als tiefster und eindeutigster Rassismus. Ein Weltbild, wie es vor 70 Jahren in dieser Gegend weit verbreitet war.
Fassen wir also einmal zusammen: Diktatur, Hetze gegen Randgruppen und Rassismus. Dafür gibt es ein exakt zutreffendes Wort: Faschismus. Was uns der „BürgerKonvent“ andrehen will, ist Faschismus in seiner reinsten Form. Diese Irren müssen gestoppt werden, und zwar sofort. Denn sie sind in ihrer Gefährlichkeit nicht vergleichbar mit der NPD, sie sind viel gefährlicher, weil sie im Gegensatz zur NPD keine Randexistenz fristen, sondern gesellschaftlich angesehene geistige Autoritäten darstellen und somit einen Einfluß auf die Politik ausüben. Sollten wir es nicht schaffen, sie aufzuhalten, kann es nämlich sein, dass wir uns in einem Konzentrationslager wiederfinden.
(via)
UPDATE: Wie ich aus den Kommentaren erfahren habe, heißt der „BürgerKonvent“ eigentlich „Konvent für Deutschland“. Den erstgenannten gibt es zwar auch, da ist aber nicht Roman Herzog mit seiner Bewegung drin. Und falls nun wer die Seriösität der Quelle anzweifelt, was ich auch täte, denn allzu genau scheinen die WSWS-Autoren nicht zu recherchieren, der findet hinter diesem Link einen Artikel aus der Süddeutschen, der das Zitat unseres Hobbyetymologen enthält.